David Klein

Montag, 20.03.2017

Den überwiegenden Teil des Tages verbringt die Reisegesellschaft heute in der Schule. Muss ja auch mal sein. Und macht auch Sinn, denn im Kibbuz gestern fielen so ein paar Begriffe und es kamen ein paar Ereignisse aus der Geschichte Israels zur Sprache, die nicht allen Krefelderinnen und Krefeldern geläufig waren.

Geschichts- und Politiklehrer Yehuda ist da genau der richtige Ansprechpartner, wenn es um das aktuelle Verhältnis zwischen Juden und Palästinensern und dessen kulturelle und historische Ursachen geht. In einer guten halben Stunde kann er die meisten Wissenslücken stopfen –jedenfalls notdürftig. Unsere israelischen Gastgeberinnen und Gastgeber helfen in den Pausengesprächen mit, das durchaus komplizierte Verhältnis zwischen beiden Volksgruppen transparenter zu machen. Wer sich dafür interessiert, der konnte heute viel lernen.

Vorher, so gegen kurz nach neun, hatte schon der Schulleiter hereingeschaut (links im Bild) und die Gäste aus Deutschland begrüßt. Er heißt Mendi - eigentlich Mr. Rabinovich - aber Nachnamen benutzt hier niemand.

Er sei nach wie vor ein bisschen stolz darauf, dass unsere beiden Schulen es schon sieben Jahre miteinander aushalten. In seiner kurzen Ansprache betont er, wie wichtig unsere Mission in den Zeiten der Globalisierung sei. Der Spaß solle bei einem Austausch nie zu kurz kommen, meint er. Bei gemeinsamen Aktivitäten auf der Bowlingbahn, beim Picknick und am Strand lerne man oft Lebensentscheidenderes, als in mancher Mathestunde, fügt er noch hinzu und sorgt damit für breite Zustimmung auf den Rängen. Richtig, lieber Blogleser: Dieses Wort gibt es gar nicht in der deutschen Sprache. Lebensentscheidenderes. Schon gut. Und wo ich gerade beim Entschuldigen bin: Mathematik ist ein durchaus sinnvolles Fach – und es kann sein, dass der Schulleiter an dieser Stelle auch „Biologie“ gesagt hat.

Gegen Mittag treffen wir David Klein. Der 91jährige Holocaust-Überlebende ist extra aus Tel Aviv angereist, um uns heute seine Lebensgeschichte zu erzählen. Die Veranstaltung beginnt etwas später, weil David erst noch ein, zwei Zigarettchen rauchen muss, ehe es losgehen kann. Auf die Frage, ob Zigaretten angesichts seines wackligen Gesundheizszustandes nicht ungesund für ihn seien, antwortet er lächelnd: Ich war in Auschwitz. Wer Auschwitz überlebt, dem kann nichts mehr passieren. Auch wieder wahr.

David Kleins Geschichte reicht von der Deportation in Rumänien über seine Ankunft im Lager Auschwitz Birkenau und seine unglaubliche Glückssträhne, die ihn dreimal vor der Gaskammer bewahrt. Gegen Ende des Krieges überlebt er noch drei Todesmärsche nach Buchenwald, Theresienstadt und Dachau - und hat sogar noch ein viertes Mal Glück: die meisten Familienmitglieder überleben den Krieg und den Holocaust und treffen sich nach Kriegsende wieder in ihrem Heimatdorf. David Kleins Augenzeugenbericht kann man – wie auch viele andere – ausführlich bei Youtube verfolgen.

Nach fast zweieinhalb Stunden Vortrag scheint der alte Mann so gerade richtig in Fahrt zu kommen – unsere Delegation gibt ihr Bestes, um mit ihm mitzuhalten und ihm Fragen zu stellen. das gelingt auch trotz einer gewissen Müdigkeit, die sich so langsam im Auditorium breit macht.

Zusammen mit dem Film, den wir in Krefeld gemeinsam im Café Ojé gesehen haben und mit dem Vortrag von Eva Weyl im BMMG Forum vor gut drei Wochen, ergibt die Begegnung mit David Klein für viele unserer Mitreisenden jetzt schon ein klareres Bild von dem, was Juden und andere Minderheiten während des Nationalsozialismus erlitten haben. Warum alles so kam, wie es gekommen ist, kann David Klein bis heute nicht begreifen – schon gar nicht, dass der Holocaust von Deutschland ausging. Vor 1933 sei Deutschland für ihn das Land Goethes, Schillers und Beethovens gewesen, eines der kultiviertesten Nationen der Welt. Mit diesem ungelösten Geschichtsrätsel steht er nicht alleine da. Seine Mission sei jetzt, als lebendes Beispiel zu stehen für das, was passiert, wenn man Intoleranz und Fremdenhass gedeihen lässt.

Ein sehr kühler Wind weht über das Carmel Gebirge, als sich die Gruppe mit ihren Gastgebern gegen 16 Uhr auf den Heimweg macht. Für einige Gruppen bleibt noch Zeit, mal eben in der Shopping Mall oder am Strand vorbeizuschauen. Dem Sonnenuntergang schaden die 12 Grad nicht. Immerhin lässt der wolkenlose Himmel auf besseres Wetter für morgen hoffen.