Heute mal Religion mit etwas Landwirtschaft

Sonntag, 19.03.2017

Ein bei uns weitgehend unbekannter Religionsstifter hat in Haifa für die Sehenswürdigkeit Nummer Eins gesorgt. Am Fuße des Carmel Gebirges, direkt in Sichtweite der German Colony und von uns, liegt Baha’u‘llah begraben, der Begründer der Baha’i Religion. Klar, dass wir da mal hin müssen. Mit den israelischen Freunden im Schlepptau statten wir heute Morgen um halb neun den Baha’i Gärten einen Besuch ab. Immerhin 80 Jahre lang haben die Baha’i daran gearbeitet, dass der in 17 Terrassen angelegte Garten samt goldglänzendem Mausoleum so klasse aussieht, wie er soll.

Denn eine der Regeln der Baha’i ist es, die Schönheit der Natur zum Ausdruck zu bringen. Das sieht man auch, denn auf dem Weg treppabwärts erblickt der interessierte Besucher Symmetrie und Gartenkunst, so weit das Auge reicht. Nicht alle Besucher sind heute interessiert. Wer in Haifa wohnt, der kennt die Gärten natürlich und braucht keine Erläuterungen, selbst wenn sie – wie heute – von einem „echten Baha’i“ kommen. Einer von weltweit 8 Millionen. Der Mann hat Beides: einen schweren Stand und glücklicherweise eine Engelsgeduld. Daher schaffen wir die gut 700 Stufen einigermaßen entspannt. Am Schluss dürfen wir auch noch den Schrein selbst betreten – auf Socken und möglichst leise. Das klappt sogar ganz leidlich – aber zu sehen ist außer einigen Teppichen, einem kunstvoll geschmiedeten Vorhang und ein paar Kerzen nicht viel.

Unser heutiger Busfahrer ist, wie er sein soll: die Ruhe selbst. Diese Tatsache wird von einigen Delegationsmitgliedern erleichtert zur Kenntnis genommen. Sie wurden am vergangenen Wochenende durch die abenteuerliche Fahrweise der meist männlichen Gastfamilienoberhäupter geradezu traumatisiert. Die israelische Straßenverkehrsordnung scheint eher eine Art Empfehlungsschreiben zu sein: Tempo 30? Warten an Fußgängerüberwegen? Langsam fahren vor unübersichtlichen Kurven? Bei Rot anhalten, wo doch offensichtlich kein Querverkehr kommt? Kann man alles machen, muss man aber nicht. Ungewöhnlich… aber es scheint irgendwie zu funktionieren.

Der Bus bringt uns auf die andere Seite der Stadt zum Kibbuz Yagur. Dieser Kibbuz ist der Dinosaurier unter den aktuell noch existierenden Kibbuze. Der größte, fast der älteste und auch einer letzten seiner Art. Denn er arbeitet noch nach den originalen Kibbuz-Regeln. Betonung auf „noch“, denn der gelebte Sozialismus scheint auch hier nicht mehr zu funktionieren. Nicht mehr zeitgemäß, sagen die Mitglieder. Unsere Gruppe ist schon ein wenig stolz, als eine der letzten die Möglichkeit zu haben, den echten Kibbuzim bei der Arbeit zuzuschauen und ihnen Fragen stellen zu dürfen. Ein kleines Museum zeigt die Anfänge des auf Agrarprodukte spezialisierten Großbetriebs und danach geht es zum Kuhstall.

„Gut, es sind Kühe“ merkt eine Besucherin an – womit sie unzweifelhaft Recht hat – und auch wieder nicht, denn die einzige Existenzberechtigung, die diese Tiere haben, ist das Milch geben. Im Grunde könnte man sie auch „lebende Milchmaschinen“ nennen, denn ein einzelnes Tier schafft unfassbare 11500 Liter Milch im Jahr; der ganze Betrieb liefert 4 Millionen Liter jährlich.

Wir stören die Kühe ein bisschen beim Mittagessen; dafür versuchen sie, uns mit ihren langen schleimigen Zungen zu erwischen. Am Ende des Besuchs bleibt den meisten Montessorianern unklar, warum ein Kibbuz-Mitglied zwar arbeitet, aber kein Geld bekommt. Das fragen sich wohl auch die Kibbuzim selbst immer häufiger. Ab 2018 wird deshalb privatisiert.

Noch Lust auf ein Spielchen? Yehuda führt die Gruppe auf die Wiese vor dem Mensa-Gebäude. Nachdem fast alle Hundehaufen beiseite geräumt worden sind, kann das Spiel  - „Klammern“ wollen wir es nennen – beginnen. Die Szenen auf den Bildern unten zeigen, wie’s geht. Das macht Spaß und so findet dieser Tag des Austauschs ein würdiges Ende.

Der Bus muss um 3 zurück zur Schule – da fahren wir mit. Eine kleine Schar steigt schon vorher aus: verführerisch glänzt das große Shopping Center in der Sonne.