Was macht mehr her am am Toten Meer?

Sonntag, 26.03.2017

Das Reisegrüppchen bewegt sich heute schon so gegen 8.30 in die Hotel Lobby, denn der blaue Bus ist wieder da, samt seinem bestens gelaunten Fahrer Megdi. Er trägt heute eine elegant sportliche Jacke, denn es ist morgens noch kühl. So um die 12 Grad zeigt das Thermometer hier auf 800m über dem Meeresspiegel - hmmm. Sieht nagelneu aus, das Kleidungsstück. Sicher ein Geburtstagsgeschenk, das er sich von unserem Birthday-Bakschisch (Wiegenfest-Trinkgeld) geleistet hat. Heute verlassen wir für einen Tagesausflug die Stadt Jerusalem und begeben uns zum etwa 50 Kilometer entfernten Toten Meer.

Und nun zur Titelfrage. Welche Attraktion gewinnt denn nun das Rennen um die tollste Sehenswürdigkeit am Toten Meer? Zur Auswahl stehen:

1. Qumran - die legendäre Höhle mit den Schriftrollen -- oder ...

2. Der Ahava Kosmetik Factory Outlet Shop - oder vielleicht ...

3. Masada - die 200 m hohe Bergfestung, die die Römer jahrelang belagert haben  - ein Schauplatz schauriger Ereignisse, Dann wäre da noch ...

4. Der En Gedi Nature Reserve Park mit seinem erfrischenden Wasserfall und schließlich ...

5. Das Tote Meer selbst - dessen Ufer am tiefsten Ort der Erdkruste beginnt, zu dem man trockenen Fußes gelangen kann.

Schon nach gut 30 Minuten gibt es den ersten Stopp. Die ersten 700 Höhenmeter haben wir überwunden. Jetzt sind wir auf null Meter über dem Meeresspiegel angekommen und trotzdem geht es gleich noch steil bergab. Nicht nur die Höhe hat sich verändert - auch die Temperatur. Die Mannschaft nutzt den Stopp für einen Kleiderwechsel. Shorts, Shorts, Shorts - endlich kommen die Höschen zum Einsatz, denn heute werden wir keine heiligen Stätten besuchen - und heute wird es richtig warm.

 

Die Ausgrabungen von Qumran haben gerade ihre Pforten geöffnet, da sind wir schon drin. Leicht angeschwitzt stapfen die Exkursionsteilnehmer durch den Staub, entlang tiefer Zisternen und Mauerresten. Ein Film im Besucherzentrum erklärt, was hier alles mal gestanden hat. Eine fromme Glaubensgemeinschaft hatte sich hier vor knapp zwei Jahrtausenden zusammengefunden, um mitten  in der Wüste zu leben und zu beten. Sie nannten sich die Essener (mit Akzent auf dem mittleren  "e", sonst kämen sie ja aus dem Ruhrgebiet). Ihr prominentester Vertreter war Johannes der Täufer - der es aber nicht lange bei der Gruppe aushielt, weil die Einsiedel-Mönche hier den ganzen Tag nur die Heilige Schrift abschrieben. Die Schriftrollen wurden Ende des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt -es sind die frühesten noch existierenden schriftlichen Bibeltexte. Man kann sie heute in einem spektakulären Museum in Jerusalem besichtigen.

So lehrreich das alles auch ist - wir müssen weiter. Zurück ins 21. Jahrhundert. Aus den Salzen des Toten Meers rührt der Kosmetik-Hersteller Ahava weltberühmte Salben, Cremes, Schlamm-Masken und andere Tinkturen. Ganz in der Nähe steht eine Fabrik mit Shop, an dem man natürlich nicht vorbeifahren kann. Da ja morgen leider schon der Heimflug stattfindet ist es höchste Zeit für ein paar Geschenke für die Lieben daheim. Schon werden Tuben, Tiegel und Flakons getestet. Eifrige Verkäuferinnen laden zu Probeanwendungen ein, so dass sich später im sonnengewärmten Tourbus die süßlich-schwere Duftwolke so richtig entfalten kann.

Na gut, ganz so wild ist es dann doch nicht, denn die Produkte haben ihren Preis und die Zeit war auch mal wieder zu knapp, um dem Shopping-Wahn verfallen zu können.

Die Straße führt jetzt direkt am Ufer des Toten Meeres entlang. Links erstreckt sich unter knallblauem Himmel eine ebensolche Wasserfläche, gesäumt von einem weißen Rand aus Salzkristallen und umgeben von schuttbedeckten Flächen. Rechts tauchen einzelne Büsche und hin und wieder einer Dattelpalmen-Pflanzung auf, dahinter erhebt sich schon das Gebirge mit der Festung Masada auf 200m Höhe - macht also insgesamt etwa 650m Höhenunterschied, denn wir bewegen uns gerade etwa 450m unter dem Meeresniveau. An dieser Beschreibung merkst du sicher, lieber Leser, dass die Szenerie so einmalig ist, dass sie sich kaum in Worte fassen lässt. Daher hier mal ein paar Fotos.

 

 

Ein Stück weiter entlang des Seeufers wartet schon das nächste Highlight. Mitten in der Wüste hat der liebe Gott sich dazu entschlossen, eine Quelle samt Flußlauf und Wasserfall zu installieren. Schon zu biblischer Zeit war die Ecke bekannt. Angeblich soll sich König David hier eine Zeit lang aufgehalten haben. “Der Mann hatte Geschmack“ stellt ein Mitglied unseres Expeditionstrupps fest, als wir nach 20minütiger Wanderung durch atemberaubendes (und den Atem raubendes) Gelände den Davids-Wasserfall erreichen.

Dort sind wir nicht allein, denn auch einige Schulklassen kennen diesen schönen Ort. Der Wasserfall sieht verführerisch nach kalter Dusche aus - etwas, das die Gruppe angesichts mittäglicher 30 Grad für angebracht hält. Allerdings hat die Parkverwaltung ein Schild aufgehängt, das wir zwar nicht so genau verstehen, das aber ziemlich nach “verboten“ und “nicht tun!“ aussieht. Den Kleinen wollen wir auch kein schlechtes  Vorbild sein und deshalb erfreuen wir uns nur an dem feucht-kühlen Luftzug, den das fallende Wasser verbreitet.

Vorbei an einem Rudel verschreckter Bergziegen (oder sind es doch Steinböcke oder Gemsen? Frag den Biolehrer) geht es zurück zum Bus. Der biegt wieder auf die Hauptstraße ein und fährt zurück Richtung Nordufer des Toten Meeres. Denn jetzt soll es endlich ins Wasser gehen. Unsere bisherige Badestelle aus den Vorjahren ist leider nicht mehr zugänglich, denn der Boden ist dort wegen unterirdischer Hohlräume abgesackt und er sackt weiter. “Sink Holes“ warnt das Schild. Im Norden wartet dagegen der “Biankini Beach“  auf uns, eine offizielle Badestelle mit Baywatch, Liegewiese aus Nylonrasen und allem drum und dran. Der offizielle Eintrittspreis ist zum Weinen hoch, aber Megdi, unser Allrounder hinter dem  Buslenker, kennt jemanden, der seinen Onkel dritten Grades kennt. Dessen Schwester ist mit dem Bruder des Bekannten ... undsoweiter. Jedenfalls verschaffen uns diese verzweigten Verwandschaftsverhältnisse Zutritt zum Strand.

 

Ganz schön glitschig ist hier das Gemisch aus schwarzbraunem Schlamm und Salzwasser und es erfordert schon Einiges an Geschick und Gleichgewichtssinn, bis man eine gewisse Wassertiefe erreicht hat. Aber die Mühe ist es wert. Instruiert von den pädagogischen Reiseleitern und unter deren wachsamen Augen gleiten die Monte-Pilger ins lauwarme seichte Nass. Wie auf einem plüschigen Sofa liegt man auf der Oberfläche. "Als wennze ne Luftmatratze gefrühstückt hättest" trifft es noch besser.

Der Schlamm ist nicht nur glitschig, sondern soll auch schön machen. Lieber Leser und besonders: liebe Leserin. Als Mann muss der Blogger hier mal hinzufügen: Er MUSS auch schön machen. Nicht dass dies irgendeiner unserer Gruppenmitglieder nötig hätte, aber die aufhübschende Wirkung braucht es schon für eine freiwillige Anwendung, denn das Zeug stinkt erbärmlich nach ... Schlamm eben.

Allah sei Dank (Er ist hier zuständig, denn hier ist palästinensisches Autonomiegebiet) stehen Duschen bereit, so dass das ölige Zeug schnell wieder runter ist. Später bei der Nachlese dieses aufregenden Tages hören wir: ja, es funktioniert - die Haut fühlt sich total weich an.

Auf dem Rückweg nach Jerusalem ist es relativ ruhig im Bus - jeder denkt jetzt daran, was heute abend noch passieren muss: Sachen packen und fertig machen zur Abreise.